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AutorenbildSozial-Klimarat

Wie schauen die Menschen aus sozialer Perspektive auf die Klimatransformation




Anhand von zwei Studien von Friedrich-Ebert-Stiftung und Bertelsmann-Stiftung betrachten wir, wie Menschen auf die Gerechtigkeitsfragen in der Klimatransformation blicken und was die Ursachen dafür sein könnten. Der Ethik-Rat hat sich ebenfalls mit dieser Frage beschäftigt. Wir fassen seine Schlüsse zusammen.


FES und Bertelsmann-Stiftung haben Studien zur Akzeptanz von Klimaschutz vorgelegt. Die Ergebnisse passen gut zusammen. Die Zustimmung zu Klimaschutz ist grundsätzlich hoch. Laut Bertelsmann sind fast 90 Prozent der Menschen durch den Klimawandel besorgt. Laut FES sagen 71 Prozent der Befragten, dass die Klimaziele eingehalten werden müssen. Aber hinter dieser grundsätzlichen Unterstützung von Klimapolitik steht Skepsis. Die Befragten trauen der Politik einerseits eine geringe Problemlösungskompetenz zu. Anderseits wird die aktuelle Klimapolitik als sozial ungerecht wahrgenommen.


So sagen laut FES 72 Prozent der Befragten, dass Wirtschaft und Industrie mehr für Klimaschutz tun sollten. In Bezug auf Bürgerinnen und Bürger mit hohen Einkommen sind 67 Prozent der Befragten dieser Meinung. Bei Bertelsmann sagt eine Mehrheit von knapp 54 Prozent der Befragten, dass die Umsetzung der Energiewende ungerecht erfolgt. Die größte Ungerechtigkeit wird hier zwischen den verschiedenen Einkommensgruppen gesehen. Menschen mit höheren Einkommen sollen mehr beitragen. An zweiter Stelle sehen die Befragten eine ungerechte Verteilung zwischen Endverbrauchern und Unternehmen.


Die Einschätzung ist nachvollziehbar. Schließlich haben Wohlhabende durch Investitionen in klimaneutrale Technologien mehr Chancen, sich selbst vor steigenden Preisen zu schützen. 

FES und Bertelsmann zeigen zusammen, dass Preisinstrumente im Policy-Mix unbeliebter als Ordnungsrecht und Förderung sind. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass viele Menschen die Sorge haben, ihr Leben nicht mehr bezahlen zu können. Außerdem kann durch Ordnungsrecht vermieden werden, dass Wohlhabendere sich von den Folgen der Klimapolitik "freikaufen" können.


Bericht des Ethik-Rates zu Klimagerechtigkeit


Passend dazu hat der Ethik-Rat im März 2024 einen Bericht zu Klimagerechtigkeit vorgelegt. Er unterscheidet darin drei Dimensionen von Gerechtigkeit: die innergesellschaftliche, die internationale und die intergenerationelle. Ausgehend davon wurde ein Gerechtigkeitskonzept entwickelt, das alle Dimensionen umfasst und zu politischen Handlungsempfehlungen führt.


Laut dem Ethik-Rat gilt, müssen allen Menschen die gleichen Möglichkeiten zustehen, ein gutes, gelingendes Leben zu führen. Als Mindestvoraussetzung für ein solches Leben sind Schwellenwerte für wichtige Grundgüter bzw. Befähigungen zu bestimmen, wie etwa Gesundheit, Ernährung, Wasser, Sicherheit oder Mobilität. Alle Menschen müssen einen grundsätzlichen Zugang dazu haben. Klimaschutzmaßnahmen sollten so ausgerichtet werden, dass auch diejenigen, die am stärksten vom Klimawandel belastet sind, Zugang zu diesen Gütern und Befähigen haben. 


Daraus ergeben sich für den Ethik-Rat Konsequenzen für die drei genannten Dimensionen von Gerechtigkeit in der Klimapolitik.


Innergesellschaftliche Dimension


Innergesellschaftlich sind Schäden und Belastungen infolge des Klimawandels und seiner Bewältigung verschieden stark ausgeprägt. Sie treffen gerade Menschen mit geringen finanziellen Mitteln oft besonders hart.

 

Das muss in den Blick genommen werden, um eine Verschärfung sozialer Verwerfungen und Konflikte entgegenzuwirken und Belastungen so zu verteilen, dass die Voraussetzungen eines guten, gelingenden Lebens für alle gewahrt bleiben. 


Deshalb ist bei Klimaschutzmaßnahmen insbesondere die Zumutbarkeit für Menschen mit weniger Anpassungsfähigkeit zu prüfen. Zur Sicherung des Zugang zu grundsätzlichen Gütern und Befähigungen sind zudem effektive Ausgleichs- und Unterstützungsmaßnahmen erforderlich.


Internationale Dimension


International müssen aus Sicht des Ethik-Rat die lange Vorgeschichte durch den Kolonialismus und die Industrialisierung genauso berücksichtigt werden wie fortwährende neokoloniale Abhängigkeiten. Beiträge zur Erderwärmung wie auch Klimaschäden und die Möglichkeiten, sich vor diesen zu schützen, sind geografisch ungleich verteilt. 


Daher muss zwischen nachholendem Wachstum in Ländern des Globalen Südens und weiterem Wachstum von Konsum und Ressourcenverbrauch in industrialisierten Ländern unterschieden und ein Transfer angemessener Ausgleichszahlungen verhandelt werden.

Menschen in allen Ländern verdienen gleiche Chancen auf ein gutes, gelingendes Leben und müssen entsprechend Zugang zu grundsätzlichen Gütern haben. Auch hier sind zunächst diejenigen zu bevorzugen, die noch am weitesten davon entfernt sind.


Intergenerationelle Dimension


Intergenerationell werden junge und heute noch nicht geborene Menschen die Hauptlasten eines veränderten Weltklimas sowie der im Umgang damit erforderlichen Maßnahmen zu tragen haben. Darum gilt es aus Sicht des Ethik-Rat heute schon, alle notwendigen und zumutbaren Mittel zu ergreifen, um zu verhindern, dass zukünftige Generationen die Mindestvoraussetzungen eines guten, gelingenden Lebens nicht mehr erreichen können.


Zugleich müssen alle in Erwägung gezogenen Lösungsansätze zukünftigen Generationen ausreichende Entscheidungs- und Handlungsspielräume lassen und dürfen ihnen keine unverhältnismäßigen dauerhaften Belastungen auferlegen.


Empfehlungen des Ethik-Rates


Ausgehend von dieser Analyse formuliert der Ethik-Rat 13 Empfehlungen. Wir stellen hier ausgewählt diejenigen da, die für die Arbeit des Sozial-Klimarat besonders relevant sind.


  • Materielle und immaterielle Kosten für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen sollten möglichst präzise bestimmt, transparent kommuniziert und sowohl innergesellschaftlich als auch international und intergenerationell gerecht und verantwortungsvoll verteilt werden.

  • Klimaschutzmaßnahmen sollen in einem politischen Gesamtkonzept miteinander verzahnt werden. Bei jeder Entscheidung über technische Maßnahmen müssen mögliche, dabei zusätzlich verursachte neue Pfadabhängigkeiten zu Lasten künftiger Generationen bedacht werden.

  • Die gerechte Verteilung der Verantwortung für diese und andere Klimaschutzmaßnahmen ist dabei vornehmlich eine staatliche Aufgabe. Der bislang weit verbreitete Fokus auf die individuelle Verantwortung von Einzelpersonen wird der Problemlage nicht gerecht. Individuelle Entscheidungsfreiheit wird immer auch mitbestimmt durch gemeinsames Handeln vieler und wesentlich von politischen Rahmenbedingungen geprägt. Deshalb sind klare gesetzliche Regelungen notwendig, um Individuen klimafreundliches Handeln zu erleichtern.

  • Es ist unangemessen, wenn staatliche Akteure von Individuen emissionsärmeren Konsum erwarten, solange innerhalb der vom selben Staat gewollten und unterstützten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die Voraussetzungen dafür zu einem guten Teil nicht erfüllt sind oder sogar konterkariert werden, sodass emissionsärmeres Handeln in vielen Feldern immer noch „moralisches Heldentum“ verlangt. Eine moralische Kritik an Entscheidungen im Bereich der privaten Lebensführung und des Konsums ist kein Ersatz für notwendige politische Maßnahmen.


Der gesamte Bericht des Ethik-Rats ist hier nachzulesen.

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